Shakespeare war vieles, darunter ein Sprachgenie. Amélie Niermeyer und Jana Vetten haben sich an sein Stück „Hamlet“ getraut und es wieder in aller Munde gebracht. Es werden den Zuschauer*innen neue Zugänge zu dem Stück aufgezeigt. Außerdem wird nicht nur gezeigt wie fast alle am Schluss tragisch sterben, sondern wir als Zuschauer*innen gehen mit den Schauspieler*innen durch ihre Figuren und werden zum Nachdenken brandaktueller Themen angeregt.
Die Regisseurin Amélie Niermeyer-, hat Regie in Sydney studiert und eine beeindruckende Karriere hingelegt; sie hat sich nicht nur auf Theater fokussiert, sondern produziert auch Opern und begeistert viele Zuschauer*innen in Wien, Salzburg, München und auch Hamburg. Anzutreffen ist sie vor allem am Mozarteum Salzburg, wo sie einen Studiengang für Schauspiel und Regie leitet.
Jede/r kennt Hamlet oder hat etwas davon gehört und wie bei Shakespeare Stücken berüchtigt, sterben auch bei Hamlet fast alle am Schluss. Das ist für den Zuschauer nichts Neues und gerade deshalb wirkt die gewählte Form des Theaters um so mitreißender. Denn obwohl der Verlauf bekannt ist, werden die Zuschauer*innen immer wieder überrascht und von den Schauspieler*innen abgeholt, wie zum Beispiel, als die Schauspieler*innen die Zuschauer*innen auf ihren Plätzen abholen und nach draußen in die Pause begleiten.
„Was ist der Mensch“
Fragt Phillip Henry Brehl, der den Hamlet verkörpert, gleich nach der Pause. Mit diesen Worten ist auch gleich nach der Pause die 4. Wand wieder gebrochen und die Zuschauer*innen sehen die Schauspieler auf der Bühne als das, was er ist; ein Schauspieler. Gleich zu Beginn des Stücks wird die 4. Wand schon gebrochen und Elemente des epischen Theaters nach Bertold Brecht verwendet. Den Zuschauer*innen wird deutlich gemacht, dass sie sich im Theater befinden. Beispielsweise als die Schauspieler*innen auf der Bühne aktiv in ihre Rollen wechseln. Dazu legen sie ihre schwarze Bekleidung ab und begeben sich in die farbenfrohen Kostüme. Wir sehen Rosencrantz in hohen schwarzen Overknees und Ophelia mit einem unordentlichen Dutt, welcher auch ihre freche Persönlichkeit unterstreicht. Horatio begegnen wir silbern schimmernd und unserem Geist des toten Königs mit einer Krone und einer E-Gitarre. Nur Hamlet unterscheidet sich, denn dieser trägt das ganze Stück über ein tristes Schwarz. Die Zuschauer*innen bekommen auch aktiv Fragen gestellt, wodurch ihnen eine neue Sicht offengelegt wird und Misstrauen gesponnen wird.
„Denn wo der Glaube tausende Jahre gesessen hat, eben da sitzt jetzt der Zweifel“ Bertold Brecht
„Ich bin nicht verrückt, ich bin ernst“ -Ophelia
Dies ist ein Satz, der mir besonders gut gefallen hat. Nachdem ich Ophelia mit ihrer frechen Persönlichkeit das habe sagen hören, habe ich meine ganze Interpretation von der Tragödie überdacht. Dadurch, dass sie den Zuschauer oft zum Lachen bringt, wenn sie beispielsweise ihren Vater nachäfft, habe ich schnell den Überblick über verrücktes und freches Verhalten verloren. Die Grenzen verschwimmen auch bei Hamlet. Dieser hat mich auch oft zum Lachen gebracht, vor allem als er seinem Gegenüber sagt, er solle doch bitte Deutsch mit ihm reden, da dieser gerade in englischen Original Versen Zitiert. Ist Hamlet nun wirklich verrück geworden oder spielt er das bloß? Auch andere Fragen sind bei mir aufgetreten: Wie groß sind Hamlets Rachewünsche wirklich? Hat er Ophelia wirklich betrogen? Vielleicht sogar mit Horatio? Horatio lernen wir nun als weibliche, Schwarze Person, kennen. Ihr fällt am Ende das Erbe zu, da alle anderen gestorben sind. Horatio ist als letzte Person auf der Bühne und spricht ihren Dialog. Der Dialog ist anders als die Leser*innen der Tragödie ihn kennen und regt beim Hinausgehen zum Nachdenken an. Als ich meinen roten Kordsitz im Theater verlassen habe, hat mich ihr Dialog noch lange festgehalten.
Nicht nur, dass ich angefangen habe über unsere aktuelle Gesellschaft nachzudenken, sondern es befinden sich auch in dem Stück auffallende Parallelen zu dem aktuellen Vorgehen in der Politik. Schauen wir beispielsweise auf den Ukraine Krieg; Hamlets Sucht, seinen Vater zu rächen, wird so groß, dass dieser alle Personen mit ihm in den Abgrund reißt oder eben ins Grab. Dies untermalt auch das Bühnenbild sehr deutlich.
„Death is not the end of the story
It´s the start you`ve been dying to find“ Ian Fisher
Alles in allem finde ich, dass diese Zeilen, aus dem von Ian Fisher geschrieben Song „Death is not the end“, das Gefühl, mit welchem man den Saal verlässt sehr deutlich treffen. Denn durch den Abschluss Dialog Horatios fängt man an sich zu fragen, warum immer erst so viele sterben müssen, um etwas dazu zu lernen. Falls Sie jetzt schon mal in die Musik des Stücks hinein schnuppern möchten, dann schauen Sie doch einfach auf der Website https://www.landestheater.at/produktion/hamlet/ des Tiroler Landestheaters rein.
Nun kann ich Sie nur herzlich dazu einladen, sich auf die roten Kordsitze zu begeben und sich den verschiedenen Eindrücken als Betrachter*in des Stücks „Hamlet“ hinzugeben und Sie fragen: Mit welchem Gefühl gehen Sie aus dem Theaterstück heraus?
Beitragsbild: Phillip Henry Brehl (Hamlet), Tim Bülow (Laertes) Foto von: Birgit Gufler