Steigende Energiepreise, Inflation, Pandemien, Umweltkatastrophen, Hungersnöte und bewaffnete Konflikte: Wir leben in einer krisengebeutelten Zeit. Tagtäglich werden wir mit negativen News konfrontiert: Am Smartphone, im TV, in der Uni. Kein Wunder also, dass manche jungen Menschen am liebsten gar keine Medien mehr konsumieren möchten. Negative Neuigkeiten belasten. Medienmachende haben in diesem Zusammenhang viel Verantwortung und Macht darüber, wie wir die Welt wahrnehmen. Wie schaffen es Journalist*innen, dieser großen Aufgabe gerecht zu werden? Was können Einzelpersonen tun, um sich gegenüber großen Krisen weniger hilflos zu fühlen? Welche Rolle spielt Online-Journalismus dabei? Und wie viel Krise verträgt der junge Mensch eigentlich? Masterstudierende der Uni Innsbruck wollten diesen Fragen auf den Grund gehen. Im Rahmen des Wahlpakets Medienpraxis (Institut für Medien, Gesellschaft und Kommunikation) gestalteten sie Anfang Dezember eine Panel-Diskussion mit drei jungen Journalist*innen im Presseclub Concordia in Wien.
Tessniem Kadiri, freie Journalistin für FUNK und WDR in Deutschland, ist „Brückenbauerin” zwischen öffentlich-rechtlichen Sendern und Online-Plattformen. Ihre Beiträge sind auf TikTok, YouTube und Instagram zu sehen. Kadiri spricht in ihrem Impulsvortrag darüber, eine junge Journalistin in Zeiten omnipräsenter Krisen zu sein und dass sie nun mehr über Krisen berichten müsste, als sie ursprünglich gedacht hätte. Eine gesunde Work-Life-Balance zu schaffen, falle ihr schwer. Das bestätigen auch Verena Mischitz, einzige Videojournalistin Österreichs, Redakteurin bei Der Standard und Sprecherin für das Netzwerk Klimajournalismus sowie Alexander Dworzak, Redakteur bei der Wiener Zeitung und Vorstandsmitglied bei Reporter ohne Grenzen. Zwischen den drei Medienschaffenden lenken die Studierenden Lavinia Müller und Jakob Häusle die angeregte Diskussion.
Agenda-Setting in der Krisenberichterstattung – Eine Frage des Alters?
Die Panelist*innen kommen bald auf den sogenannten Generation-Gap zu sprechen. Tessniem Kadiri kritisiert, dass besonders ältere Redakteur*innen aktuelle Krisen nicht ernst genug nehmen und zu selten darüber berichten. Alexander Dworzak meint, dass das Alter der Redakteur*innen vielmehr darüber entscheide, auf welche Art und Weise über Krisen oder Aktivismus berichtet werde. Da sieht er einen klaren Generation-Gap. Je älter die Redakteur*innen sind, desto weniger Verständnis haben sie z. B. für Aktionen von Klimaaktivist*innen. Verena Mischitz merkt an, dass Redaktionen im Allgemeinen nicht besonders divers seien, was die Themenselektion maßgeblich beeinflusse.
Social Media: Wie erreicht man junge Leute?
Bei der Frage, welche Rolle sozialen Medien in der Krisenberichterstattung zukomme, scheiden sich die Geister. Online-Journalistin Kadiri betont, dass es wichtig sei, auf den verschiedenen Social-Media-Kanälen Präsenz zu zeigen. Alexander Dworzak ist da anderer Meinung. Er übt Kritik an der Plattform TikTok und bemängelt vor allem die kurze Video-Länge, die eine differenzierte Darstellung nicht zulassen würde. Kadiri unterstreicht, dass sich beispielsweise auf TikTok mehr Menschen aufhalten, als man vermuten würde und dass besonders junge Leute hier am besten erreicht werden können. Ihr zufolge erreiche man Jugendliche mit einminütigen Videos besser, da sie sich für längere Inhalte häufig nicht interessieren . Deshalb müssen sich Medienschaffende überlegen, wie sie das am besten anstellen und gegebenenfalls auch Expert*innen konsultieren.
Berichten über Krisen? Konstruktiv bleiben!
Verena Mischitz hebt die Wichtigkeit eines lösungsorientierten Ansatzes hervor: „Ich bin sehr für konstruktiven Journalismus.“ Es werde noch zu wenig über mögliche Lösungswege für Krisen gesprochen. Das müsse sich ändern. Sie versuche, wo immer möglich, dem Publikum auch Lösungen für Probleme und Krisen aufzuzeigen. Das sei mit fundierter Recherche und Storytelling möglich. Menschen sollten nicht mit einem Gefühl von Überforderung und Hilflosigkeit zurückgelassen werden.
Der Social-Media-Teufelskreis
Ebenso wird über die Gefahr eines übermäßigen Medienkonsums, besonders für junge Menschen, diskutiert. Die drei Journalist*innen sind sich einig, dass es auch ein „zu viel“ hinsichtlich Medien- und Nachrichtenkonsum gebe. Gerade in sozialen Medien „verliert“ man sich schnell, es komme zu einer Reizüberflutung.
Kadiri gibt an, Instagram manchmal vom Smartphone zu löschen. Dworzak hat für sich persönlich als Handlungsmöglichkeit ein zeitweises bewusstes Aussteigen aus der Social-Media-Nutzung entdeckt.
Darüber hinaus sind sich alle Journalist*innen einig, dass Medienbildung in der Schule stärker vermittelt werden sollte. Aber nicht nur dort: Auch Erwachsene und ältere Personen hätten diesbezüglich Bedarf. Sowohl das Erkennen von Fake News als auch korrekte Mediennutzung müssten stärker im Fokus stehen.
Mit Hoffnung, Engagement und Zusammenhalt gegen die großen Krisen
Abschließend wird den Panelist*innen die Frage gestellt, warum sich junge Leute in einer durchwegs negativ wirkenden Welt noch informieren und nicht resignieren sollten. Verena Mischitz erklärt, sie motiviere die Tatsache, dass es viele Menschen gibt, die sich engagieren und etwas verändern möchten. Hinsichtlich der Klimakrise merkt sie an, dass ja bekannt sei, was getan werden müsse, um die Kurve zu kriegen: „Die nächsten Jahre sind entscheidend und wir können uns entscheiden zwischen schlimm und sehr schlimm bis unbewohnbar.“
Alexander Dworzak meint, dass die aktuellen Krisen sich besonders durch die große Nähe unterscheiden: „Die Krisen kommen uns näher, als wir es vorher hatten.“
Er spricht davon, dass sich viele Menschen ohnmächtig fühlen, da sie denken, allein nichts bewirken zu können. Man müsse den Leuten nahebringen, dass jeder Beitrag zähle und sich die Summe vieler Beiträge unter dem Strich positiv auswirke, z. B. konkret auf die Klimakrise und den Energieverbrauch. Kadiri wirft ein, dass die Regierung am meisten bewirken könne und auch mehr als Einzelpersonen.
Dworzak ist der Meinung, man dürfe sich nicht vom Geschehen abwenden und davor flüchten. Mit Blick auf die Geschichte der EU stellt er fest, dass wir in einem Gebiet leben, in dem es seit 1945 keinen Krieg mehr gibt. Das sei historisch eine große Leistung. Aus dem Beispiel leitet er ab: „Was uns am meisten hilft, ist Kooperation.“ Die Gesellschaft müsse zusammenhalten.
Die aufschlussreiche Diskussion kann hier im Livestream nachgeschaut werden.
Titelbild: © Ekaterina Kolkova