Nicholas Kaupert ist eines der vier „Public Faces“ und im Vereinsvorstand der Nightline Innsbruck. Wir haben den Psychologiestudenten getroffen, um mehr über das studentische Zuhörtelefon zu erfahren.
Die Zeitlos: Was ist die Nightline?
Nicholas Kaupert: Die Nightline ist eine Projektidee, die ursprünglich aus Großbritannien (Edinburgh) stammt und vor ein paar Jahrzehnten gestartet ist. Die Idee ist, dass ein relativ niederschwelliges Angebot für Studierende besteht, um sich mitteilen zu können. Sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Wenn man Probleme hat, kann man sich melden, aber natürlich auch wenn einem positive Dinge widerfahren sind. Wie zum Beispiel wenn man eine gute Note geschrieben hat, aber es niemandem mitteilen kann. Die Nightline Innsbruck gibt es seit 2019, und wir sind unter der Woche von acht Uhr abends bis Mitternacht immer erreichbar.
Ist die Nightline ein Angebot von Student*innen für Student*innen?
Wir sind nicht alle Studierende, bei uns sind auch Personen aus der Berufswelt tätig. Im Großen und Ganzen legen wir sehr viel Wert darauf, dass auf Augenhöhe miteinander kommuniziert wird. Bei Studierenden schwingt mit einher, dass es sich um jüngere Personen handelt. Wir haben uns bereits Gedanken darüber gemacht, ob Absolvent*innen, die weiterhin in Innsbruck wohnen, noch bei der Nightline mitmachen können. Die Entscheidung liegt bei ihnen, ob sie immer noch in der Lage sind, mit Studierenden auf Augenhöhe zu sprechen. Wir werden auf keinen Fall Person wegen ihrem Alter oder der Tatsache, ob sie studieren oder nicht, abweisen.
Handelt es sich bei der Nightline um einen gemeinnützigen Verein?
Die einzigen Vorteile, die wir rausziehen, sind kleinere Events, welche vereinsintern organisiert werden. Wie beispielsweise unsere Weihnachtsfeier oder auch kleinere Teambuilding-Sachen wie Sportchallenges. Aber wir bekommen kein Geld für unsere Leistungen. Im Moment bemühen wir uns, dass die Arbeit bei uns auch als Praktikum angesehen werden kann. Vor allem für Psychologiestudent*innen wäre dies interessant, weil in diesem Studium Praktika abgelegt werden müssen. Durch die Gesprächsführung und die Vereinsarbeit eignet man sich doch schon viele Kompetenzen an. Wir stellen jedoch Zertifikate für die Vereinsarbeit und die Arbeit am Telefon beziehungsweise im Chat aus. Somit werden verschiedene Qualifikationen hervorgehoben, die man im Rahmen der Nightline erwirbt.
Hat die Nightline ein Büro oder arbeitet ihr im Homeoffice?
Wir haben einen Raum, den wir uns mit der ÖH im ÖH-Gebäude teilen. Aber wir sind momentan dabei, uns als studentische Vereinigung an der Universität Innsbruck zu akkreditieren. Dann könnten wir auch einen eigenen Raum nur für die Nightline bekommen. Vor allem für die Telefondienste am Abend wäre dies ideal, aber auch für Teammeetings. Während der Coronazeit haben wir unsere Arbeit stark auf den Heimbetrieb verlagert und uns während dieser Zeit auch viel mit Internettelefonie beschäftigt, sodass wir auch Anrufe von zu Hause aus entgegennehmen konnten. Im Moment lassen wir den Mitarbeiter*innen die Wahl, ob sie lieber im Büro oder von zu Hause aus arbeiten möchten.
Die Nightline hat auch eine Chat-Funktion. Seit wann gibt es die und ist sie beliebter als die Anrufe?
Seit dem Wintersemester 2020 ist die Chat-Funktion bei uns verfügbar. Es ist relativ klar, dass der Chat beliebter ist als die Anrufmöglichkeit. Die Anrufanzahl ist tatsächlich gesunken, nachdem wir den Chat eingeführt haben. Die Chatkontaktanzahlen sind dahingegen quasi explodiert. Wir bekommen ungefähr dreimal so viele Chats wie Anrufe. Das liegt höchstwahrscheinlich daran, dass chatten viel niederschwelliger ist als anrufen. Niemand muss sich über seine Stimme präsentieren und viele Leute scheinen den sozialen Aspekt des Telefongesprächs nicht so sehr zu suchen. Sie möchten einfach ihre Informationen weitergeben. Wenn man eine Chatnachricht schreibt, kann man diese vor dem Absenden überlesen und man kann das ganze Gespräch noch einmal Revue passieren lassen.
Wie oft werdet ihr im Durchschnitt kontaktiert?
Pro Dienst, also von acht Uhr abends bis Mitternacht, bekommen wir durchschnittlich 1,61 Chatnachrichten und 0,6 Anrufe. Von September 2021 bis September 2022 haben uns während 160 Diensten 353 Kontaktaufnahmen erreicht.
Wird die Nightline gegen Semesterende oder in der Prüfungsphase öfter kontaktiert?
In der Prüfungsphase werden wir tatsächlich ein wenig häufiger kontaktiert als sonst. Am ehesten hängt es davon ab, ob gerade Semesterferien sind oder nicht. Im Februar, Juli, August und September kommen weniger Nachrichten und Anrufe rein als während anderen Monaten. Das hat natürlich neben der Tatsache, dass die Studierenden in den Ferien weniger gestresst sind, auch damit zu tun, dass wir zu dieser Zeit weniger Dienste anbieten.
Werden die Mitglieder der Nightline ausgebildet? Und wie viele sind beim Verein beschäftigt?
Unser Verein besteht momentan aus 72 Mitgliedern. Jedes Mitglied wird nach psychologischen Prinzipien ausgebildet. Wobei gesagt werden muss, dass wir keine Expert*innen auf diesem Gebiet sind. Wir bieten zwar keine therapeutische Arbeit an, aber wir stellen Menschen den Raum bereit, auf uns zuzukommen und sich mitzuteilen. Wir halten uns an Schulungsunterlagen, die wir ursprünglich von der Nightline in Freiburg erhalten haben. Wobei wir diese Unterlagen auch ein wenig abgewandelt, an unsere Bedürfnisse angepasst und erweitert haben. Grundlegend besteht unsere Schulung aus einem ersten Einschulungstag, an dem die Basics und vor allem die Theorie vermittelt werden. Darauf folgt ein Schulungswochenende, während dem die Praxis anhand von Gesprächssimulationen vermittelt wird. Abschließend folgt dann die Chatschulung. Die ist relativ kurz und es wird vor allem auf die technische Seite eingegangen. Am Anfang von jedem Semester findet auch ein Infotag der Nightline statt, wo sich diejenigen Personen, die sich für den Verein interessieren, über uns informieren können.
Werden vor allem studentische Anliegen besprochen?
Die größte Thematik ist Stress im Studium. Darunter viel Prüfungsstress und Abgaben. Aber auch Stress außerhalb, besonders Freizeitstress. Es wird viel über Einsamkeit oder Probleme in der Partnerschaft gesprochen. Es geht aber auch um Gesundheit, Drogen, Missbrauch und insgesamt schwerere Themen. Wobei in dem Fall wahrscheinlich häufiger andere Dienste, welche eher auf solche Probleme spezialisiert sind, in Anspruch genommen werden.
Wie sehr achtet ihr auf die Anonymität eurer Anrufer*innen/Chat-Schreiber*innen?
Wir denken, dass der Dienst am besten funktioniert, wenn wir nicht wissen, wer anruft oder schreibt, und wenn die Person, die uns kontaktiert, nicht weiß, wer das Telefon abgehoben hat beziehungsweise zurückschreibt. Deswegen achten wir stark drauf, dass nicht bekannt ist, wer bei der Nightline tätig ist. Wir haben intern ein kleineres Team namens „Public Faces“, welches sich damit beschäftigt, den Public Outreach zu machen. Zurzeit sind wir vier Personen. Es werden zwar Daten von den Personen, die uns kontaktieren, erhoben, jedoch werden diese anonymisiert. Der Nightline geht es vor allem um aktives Zuhören und dass der Person am anderen Ende der Leitung viel Raum gelassen wird.
Vielen Dank für das Gespräch!